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Design made in GDR: Die neue Serie

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Ein Zufall war's – mal wieder – der mich zum "Alltagsgeschirr" von Hedwig Bollhagen und den nach ihr benannten HB-Werkstätten für Keramik führte. Von dort war der Weg zum "DDR-Design" nicht weit und meine Neugier erwacht. Schon nach kurzer Recherche war klar: Das ist ein weites Feld – zu weit als dass es mit einem Blogpost getan wäre. Also habe ich mich entschieden, eine kleine Serie zu starten. Ab heute stelle ich hier also regelmäßig eine/n Designer/in, einen Gestaltungsansatz und/oder ausgewählte Designstücke aus der DDR vor. Wenn ihr/Sie Wünsche, Anregungen oder Ideen habt/haben für ein Objekt, eine/n Designer/in oder einen Designansatz – immer gerne!

Meine erste Begegnung mit Design "made in GDR" ereignete sich während meines Studiums.* Bis dato gehörten die beiden Begriffe für mich nicht wirklich zusammen. Mein Wissen begann beim Eierbecher in Hühnerform und endete direkt vor der "Platte".  Die Welt dazwischen war mir unbekannt. Dabei ist sie (nicht nur im übertragenen Sinne) groß. Sie ist jedoch auch "schwierig", und dieses "Schwierige" ist wohl ein Grund für ihre anhaltende Unbekanntheit wie auch Unbeliebtheit.

Nach Meinung der SED-Parteiführung hatte Design (ebenso wie Kunst) im Dienste der "deutschen Kulturnation" zu stehen und "dem opti­mis­ti­schen Lebens­ge­fühl des sozia­lis­ti­schen Men­schen"Ausdruck zu verleihen (Nachtigall, ick hör dir trapsen). Das ist ein klares Bekenntnis gegen die künstlerische bzw. gestalterische Freiheit. Man könnte also sagen, die Unfreiheit steckt in jedem Designobjekt aus der DDR – und welche/r Sammler/in will schon die vergegenständlichte Unfreiheit in seiner Wohnung haben? Doch darum das "DDR-Design" pauschal verurteilen oder weiterhin ignorieren und in den Archiven verstauben lassen? Ich denke nicht. Auch wenn es "kompliziert" ist, lohnt der differenzierte Blick. Bei Weitem nicht jedes "Design made in GDR" ist affirmativ, also system- und ideologiebejahend. Viele Entwürfe entstanden in der kritischen Auseinandersetzung mit dem DDR-System, das für zahlreiche Designer/innen mit Repressionen verbunden war. Ihre Gestaltungsansätze, die (nicht allein der Mangelwirtschaft wegen) darauf aus waren, mit einem Minimum an Ressourcen ein Maximum an Gebrauchswert zu erzielen, können auch – oder gerade heute – wertvolle Impulse für ein zukunftsfähiges Design liefern.
Liege und Musikanlage von Rudolf Horn | Bildquelle: jeder-qm-du.de 

Im Industriesektor wären etwa Rudolf Horn oder Karl Clauss Dietel hervorzuheben. Bereits in den 1960er Jahren haben sich die beiden Gestalter mit der Frage auseinandergesetzt, wie die sich wandelnden Bedürfnisse der Nutzer/innen integriert und die Funktionalität eines Produkts dauerhaft erhalten bleiben kann (womit sie in der DDR keine Ausnahme waren). Ihre Antworten nehmen aktuelle Tendenzen im Bereich des nachhaltigen Designs und der nutzerzentrierten Produktentwicklung vorweg (Stichwort: Co-Creation, Co-Production). Dabei kann man Horn als Vordenker des "Prosumenten", Dietel als Pionier des nachhaltigen Designs sehen.

Viele ihrer Entwürfe scheiterten an der staatlichen Zensur, der eine funktional-schlichte Formensprache lange Zeit verdächtig war (siehe: Formalismus-Debatte). Doch manche Idee fand am Amt für Industrielle Formgestaltung (AID) vorbei in die Serienproduktion – nicht selten da sie sich zum Exportschlager entwickelte und dem Staat die dringend nötigen Devisen einbrachte. So etwa Horns bis heute ästhetisch überzeugendes "Möbelprogramm Deutsche Werkstätten (MDW)" oder die von dem Designerduo Dietel und Lutz Rudolph entworfene Radioanlage für die Firma Heli Radio (die allerdings auch die/der "durchschnittliche" DDR-Bürger/in erwerben konnte).




Der Tischler, Innenarchitekt und Ingenieur Horn sah den Nutzer bereits als "schöpferischen Mitgestalter" als eine Verschmelzung von Konsument und Produzent noch undenkbar war. [Quelle] Seine in den 1960er Jahre entwickelten modularen, multifunktionalen Möbelprogramme sind das bekannteste Ergebnis dieses frühen "User-Centered Designs". Noch spannender und geradezu wegweisend für das heutige Bauen finde ich jedoch sein Konzept des "Variablen Wohnens" von 1969/1970. Es räumte den Bewohner/innen die größtmögliche Gestaltungsfreiheit ein und nahm die Idee des flexiblen Raums, wie er heute etwa im Design Thinking Anwendung findet, schon früh vorweg.

Das "Variable Bauen"basierte auf einem großen, leeren Raum, in dem einzig eine Nasszelle fix vorgesehen war. Raumaufteilung und Zimmergestaltung oblagen ganz und gar den Bewohner/innen. Mithilfe flexibler Wände und des modularen Möbelsystems AM20 konnten sie den Raum entsprechend ihrer Bedürfnisse und Vorlieben selbst gestalten. Trotz des großen Interesses an Horns Konzept kam es nie über die Testphase hinaus. Vielleicht hat es heute, da bezahlbarer Wohnraum wieder knapp und nicht zuletzt durch die Flüchtlinge sehr unterschiedliche Wohnbedürfnisse unter einen Hut zu kriegen sind, eine neue Chance.

oben: Experimentalbau für variables Wohnen in Dresden (1973) | unten: Die variable Wohnung (1969) | Bildquelle: Burg Halle











Rundfunkgerät rk5 sensit mit Lautsprecher K20, HELIRADIO Gerätebau Hempel KG Limbach-Oberfrohna, K.C. Dietel/L. Rudolph, 1967-69 | Bildquelle: Stiftung Industrie- und Alltagskultur
Die Frage der Nutzerbedürfnisse durchzieht auch die Arbeit des gelernten Maschinenbauers und studierten Kraftfahrzeugingenieur Karl Clauss Dietel, der sie darüber hinaus mit dem Aspekt der Langlebigkeit verband. Seine Überlegungen hierzu kulminieren etwa im Begriff der "Gebrauchspatina", wonach ein Gegenstand so gestaltet werden sollte, dass die Spuren seines Gebrauchs ihn auf- statt abwerten, er also sozusagen mit dem Alter schöner bzw. besser würde. An diesem Ansatz wurde nicht zu unrecht kritisiert, dass es dabei weniger eine Frage der Gestaltung und damit der Gestalter/innen, denn um die Haltung der Nutzer/innen zum Gegenstand ginge. Konsequenter ist dagegen das von ihm formulierte "Offene Prinzip". 

Ein nach diesem Grundsatz gestalteter Gegenstand zeichnet sich nach Dietel durch die großen fünf L aus: Er ist "langlebig, leicht, lütt (klein), lebensfreundlich und leise". Unter rein formal-ästhetischen Gesichtspunkten könnte man im iphone vielleicht ein "offenes Produkt" erkennen. Es ist leicht, lütt und leise. Aus technisch-ökologischer Perspektive ist es jedoch exakt das Gegenteil, da es sich weder warten, noch reparieren und technisch erneuern, also auf einen technisch höheren Stand bringen lässt. Nun hat Dietel nie ein Mobiltelefon entworfen; hätte er es aber getan, wäre es vermutlich das Fairphone geworden. 

Exemplarisch für "seinen" Designansatz steht das Kleinkraftrad Mokick S 50, das er und Lutz Rudolph 1967 für die Firma Simson Suhl entwickelten. Die einzelnen Bauteile passten in sämtliche Modelle und Fahrzeuggenerationen und waren in verschiedenen Varianten verfügbar, so dass die Nutzer/innen das Moped individuell anpassen konnten. Außerdem ließen sich Reparaturen oder der Austausch von Einzelteilen ohne große technisch-mechanische Vorkenntnisse selber machen – ein Design also, das auch gegenüber dem Do-It-Yourself-Prinzip offen war. 

Ich bin sicher: Mit derlei Dingen ließe sich leichter ein "enkeltaugliches Leben" führen.



*Ich habe (im 1. Hauptfach) Kulturwissenschaft mit Schwerpunkt Ästhetik bei Karin Hirdina [*1941; †2009] studiert – eine großartige Lehrerin. Pathos der Sachlichkeit hieß ihr 1981 veröffentlichtes Buch, das wesentlich zur Versachlichung der Formalismus-Debatte in der DDR und einer Neubewertung des Bauhauses beitrug. Der Titel trifft jedoch ebenso gut auf sie selbst zu. Ob als Lehrende oder als Forschende, stets widmete sie sich ihrer Arbeit mit sachlicher Leidenschaft und leidenschaftlicher Sachlichkeit. Ich vermisse sie. Ihr präzises Denken, ihr messerscharfer Verstand und ihr konstruktiv-kritischer Geist fehlen – heute, da das pauschale Denken wieder Hochkonjunktur hat, umso mehr. 

KW 13 #zynisch

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BRUNETTEBERLIN, Regal LINK, Kerstin Reilemann, Lettre International, FLux FM, Europa, WSAKE
Ob Panama Papers, das niederländische Nein zum EU-Abkommen, die Haltung vieler EU-Staaten und Menschen gegenüber den Flüchtlingen – das Wort zynisch kommt mir dieser Tage häufiger in den Sinn.

zy­nisch
Wortart: Adjektiv

Worttrennung: zy | nisch
Bedeutungsübersicht:
  1. auf grausame, den Anstand beleidigende Weise spöttisch
  2. eine gefühllose, mitleidlose, menschenverachtende Haltung zum Ausdruck bringend, die besonders in bestimmten Angelegenheiten, Situationen als konträr, paradox und als jemandes Gefühle verachtend und verletzend empfunden wird
Synonyme:
bissig, bitter, boshaft, hämisch, höhnisch, ironisch, menschenverachtend, scharf, scharfzüngig,schneidend, spitz[züngig], spöttisch, verletzend; (bildungssprachlich) maliziös, sarkastisch; (umgangssprachlich) giftig; (abwertend) gehässig
Quelle: Duden

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Was ich sonst so gedacht, gemacht und gemocht habe? Dies unter anderem:
Ein schönes Wochenende wünsche ich allen.

    Gleich ist niemals gleich

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    Vor rund ein Jahr haben wir unser Zuhause von Schöneberg nach Friedrichshain und ich meine Laufstrecke vom Volkspark auf die Halbinsel Stralau verlegt. Dort komme ich jedes Mal an jener Uferlichtung vorbei. Und irgendwann begann ich, sie zu fotografieren – am selben Ort, zur selben Zeit. Als ich mir die Bilder ansah, wurde mir klar: Gleich ist niemals gleich.

    Ein Blick hinter Sonea Sonnenschein

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    Das völlig normale Leben, nur anders. So lautet der Claim von Katharinas Blog Sonea Sonnenschein. Anders macht es vor allem Tochter Sonea, die ihre Eltern zur Geburt mit einem zusätzlichen Chromosomenpaar überraschte: Trisomie 21 oder auch Down-Syndrom genannt. Der Schock saß zunächst tief, doch Katharina wäre nicht Katharina - nämlich von Grund auf fröhlich und zuversichtlich - hätte sie ihn nicht rasch überwunden. "Es gibt immer Hürden und Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen", sagt die heute zweifache Mutter und findet meine Frage nach ihren Wünschen am schwierigsten zu beantworten. Denn eigentlich sei sie sozusagen wunschlos glücklich.

    Hab vielen Dank, liebe Katharina, für heiteren Antworten, mit denen ich allen einen ebensolchen Start in die neue Woche wünsche.

    Auf deinem Blog erfährt man schon einiges über dich und deine Familie. Zum Beispiel dass du schokoladen- und nähsüchtig, stoffverliebt und Inklusionsbefürworterin bist. Was gibt es noch über dich zu sagen?
    Mopsvernarrt fehlt noch. Was gibt es über mich zu sagen? Ich bin ein sehr impulsiver und feinfühliger Mensch, der immer irgendwelche Ideen im Kopf hat, die ihn nicht loslassen. Meine Familie ist für mich unverzichtbar und ich bin eher der gemütliche, häusliche Typ.


    "Das völlig normale Leben, nur anders" lautet dein Blog-Claim. Was ist völlig normal an deinem Leben? Und was anders?
    Mein Leben und vor allem unser Familienleben ist für mich völlig normal. Sicherlich ist es aufgrund der Behinderung meiner Tochter Sonea vielleicht hier und da ein bisschen anders als das Zusammenleben anderer Familien und für andere auch unvorstellbar, was ja auch die Statistik besagt (98% aller pränatal diagnostizierten Fälle von Down-Syndrom werden abgetrieben).
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    Was wünscht du dir noch normaler und was noch anders in deinem/eurem und für dein/euer Leben?
    Ich kann gar nicht behaupten, dass ich mir etwas anders wünsche. Es gibt immer Hürden und Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Vielleicht wären diese anders, wenn wir kein Kind mit Down-Syndrom hätten, aber das Leben wäre deshalb sicherlich nicht einfacher, nur eben möglicherweise anders. Aber es wäre dann eben auch nicht mehr unser Leben.


    Was sagt die Inklusionsbefürworterin in dir zum gesellschaftlichen Inklusionsstand? Wie viel gibt´s noch zu tun? Und was bzw. wo sind deiner Meinung nach die größten "Baustellen"?
    Der Grundgedanke der Inklusion ist wirklich toll, aber Deutschland steht eben auch noch völlig am Anfang und ist teilweise sogar rückschrittlich, wie sich in den letzten Monaten deutlich gezeigt hat.

    Die Inklusion wird oft sehr stiefmütterlich behandelt und abgelehnt, da viele einfach ins kalte Wasser geworfen werden. Es werden mit der Schaffung von Inklusion Gelder und Personal gekürzt, die mit der Inklusion aber trotzdem dringend notwendig sind. Es läuft sicherlich einiges schief und nicht optimal hier in Deutschland, um eine funktionierende Inklusion zu gewährleisten. Allerdings bin ich auch ganz klar der Meinung, dass Inklusion in den Köpfen der Menschen beginnt und mit dem Abbau der Barrieren in den einzelnen Köpfen und der Bereitschaft zu einer funktionierenden Inklusion wächst und dann auch erst funktionieren kann. Ich bin durch und durch Visionär und der festen Überzeugung, dass man mit Willenskraft viel mehr erreichen kann, als mit irgendwelchen finanziellen Mitteln. Sicherlich sind diese auch notwendig, aber ein fester Wille ist der Anfang von vielen großartigen Dingen. Und wenn ich Inklusion ablehne, nützt mir auch sämtliches Geld nicht.
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    Welche gesellschaftlichen-politischen Entwicklungen stimmen dich hoffnungsfroh und woran möchtest du zuweilen verzweifeln?
    Ich bin sehr froh, dass Sonea heute und nicht vor 30 Jahren geboren wurde. Gerade hat André Frank Zimpel, ein großartiger Professor für Erziehungswissenschaften, ein Buch über eine lang ausgelegte Studie über Menschen mit Down-Syndrom herausgebracht. Einzelheiten zum Buch könnt Ihr hier erfahren. Ich werde aber bald in einem Beitrag noch näher darauf eingehen und auch ein Exemplar von diesem Buch verlosen.
    Menschen mit Down-Syndrom haben heute bessere Lebensbedingungen als früher und auch die Fördermöglichkeiten sind sehr viel vielseitiger. Außerdem ist die Akzeptanz deutlich besser als noch vor vielen Jahren. Wir ernten selten komische Blicke. Es gibt sie, ganz klar, aber wir sind nicht die absoluten Außenseiter, sondern haben einen ganz normalen Freundeskreis.


    Du hast deinen Blog (wie ich) im Jahr 2009 ins Leben gerufen. Warum (Grund) und wozu (Ziele)? Und was ist aus dem, was du 2009 begonnen hast, heute – also bald sieben (Kinder-)Jahre später – geworden?
    Als ich mit dem Bloggen begonnen habe, war es einfach der Impuls über Sonea und unser Leben mit ihr zu schreiben. Es half mir ein bisschen die Diagnose zu verarbeiten, denn am Anfang saß der Schock ziemlich tief und die Traurigkeit war groß. Außerdem wollte ich neben all den negativen Links zum Thema Down-Syndrom ein kleines, positives Gegenstück schaffen und Vorurteile abbauen. Am Anfang war das Blog recht persönlich und aus der Sicht von unserem Sonnenschein Sonea selbst geschrieben. Anfangs habe ich mich gefreut, wenn das Blog 20 Besucher am Tag hatte. Meine Oma in Dänemark genießt es heute noch mit fast 90 Jahren. dem Blog zu folgen und so ein kleines Stückchen an unserem Familienleben teilzuhaben.

    Irgendwann kam ich durch Sonea zu meiner Leidenschaft, dem Nähen. Die täglichen Leser wurden nach und nach auch mehr. Mir fiel es zunehmend schwerer aus der Sicht von Sonea zu schreiben, da sie mehr und mehr ihre eigene Persönlichkeit entwickelte - eine starke Persönlichkeit, der ich ungern meine Gedanken und Worte in den Mund legen wollte.

    Heute blogge ich aus meiner eigenen Sicht - mal mehr, mal weniger persönlich und trotzdem immer mit Rücksicht auf unsere eigene Privatsphäre und vor allem die der Kinder. Ich zeige meine Kinder im Netz - Sonea, weil ich es wichtig finde ihr ein Gesicht zu geben (Kinder mit Down-Syndrom wurden lange genug in unserer Gesellschaft versteckt) und ihren kleinen Bruder, weil er wirklich zutiefst beleidigt ist, wenn ich ihn nicht ab und an auf dem Blog zeige. Aber bei allem was ich schreibe, spielt vor allem immer wieder mein Bauchgefühl und mein Herz eine große Rolle. Es steckt mittlerweile wirklich sehr viel Herzblut in diesem Blog und das Blog ist fast schon wie ein drittes Kind.


    Was hat es mit deiner Blog-Rubrik Mein Leben mit dem Besonderen auf sich?
    Das war ein Impuls vor knapp 1 1/2 Jahren. Damals gab es eine Reportage über ein Paar, welches einen Spätabbruch gemacht hat, weil ihr Kind das Down-Syndrom haben sollte. Ich verurteile solche Entscheidungen nicht. Ich selbst war glücklicherweise nie in dieser Lage, einen solchen Entschluss treffen zu müssen, da Sonea ihr Extra gut versteckt hatte und erst nach ihrer Geburt offenbart hat. Aber ich kann mir vorstellen, welcher gesellschaftlicher Druck in einer solchen Situation auf einem lastet. Und wenn man selbst nicht den Kontakt zu Menschen hat, die in irgendeiner Form "besonders" sind, gibt es eben auch (Berührungs-)Ängste und Vorurteile. Das ist einfach so.

    Mit der Rubrik wollte ich vorrangig noch ein Stückchen mehr dazu beitragen Vorurteile abzubauen und vor allem auch zeigen wie normal es ist verschieden zu sein. Und dann auch wie normal und vielseitig "das Besondere" eben sein kann. Jeder ist in irgendeiner Weise besonders und das ist das, was diese Rubrik eben ausmachen soll. Sie soll bewegen und zum Nachdenken anregen.


    Welche Blogs liest du besonders gerne? Und warum?
    Es gibt unglaublich viele Blogs, die ich gerne lese und es gibt auch wirklich viele großartige Blogs. Leider fehlt mir oft die Zeit dafür, aber wenn ich es mal schaffe, bin ich jedes Mal total inspiriert und manchmal auch begeistert von der Wortgewandtheit und der Kunst mancher Blogger mit Worten zu spielen. Ich lese unglaublich gerne.


    Wenn schon der Wunsch nach "hündischem Familienzuwachs" vorerst nicht Erfüllung geht, welcher Wunsch wird oder wurde dieses Jahr wahr?
    Ich habe gerade ein wunderschönes, verlängertes Wochenende alleine mit meinem Mann in Paris verbracht. Das hat wirklich sehr, sehr gut getan, auch wenn ich die Kinder am Ende doch ganz schrecklich vermisst habe und mich am liebsten zurück nach Hause gebeamt hätte, um schnell wieder dort zu sein. Aber grundsätzlich finde ich diese Frage von allen hier am schwersten, denn wirklich große Wünsche habe ich nicht. Ich habe eine Familie, die mich sehr glücklich macht, einen Job, der mich erfüllt und mir riesig Spaß macht und nun fehlt eben nur noch der Mops. Und ein klitzekleines Vermögen vielleicht, damit ich unsere Wohnung nach meinen Wünschen renovieren kann... haha!
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    Design made in GDR: Spielzeug zwischen Kunst und Industrie

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    Würfelspiel von Ursula Wünsch | Schildkröte von Renate Müller | Der grüne Baum von Gerd Kaden



    "Mein Vater hat einen Schlaganfall bekommen und sich nicht mehr davon erholt", antwortet Renate Müller auf die Frage, was die Enteignung für den Einzelnen bedeutete. Die Gestalterin aus der thüringischen Spielzeugstadt Sonneberg steht mit ihrer Unternehmensgeschichte exemplarisch für viele Handwerksbetriebe in der DDR – anders als mit ihrer Erfolgsgeschichte. Müller ist die einzige DDR-Gestalterin, die nach der Wende zu einem gewissen Weltruhm gelangt ist. Ihre "Rupfentiere" stehen seit 2010 im MoMa (New York) und wechseln auf Auktionen schon mal im vier- bis fünfstelligen Zahlenbereich ihre Besitzer/innen. Doch zurück zum Handwerk.

    Das Handwerk hatte einen schweren Stand in der DDR. Ideologisch verbrämt, praktisch unumgänglich (man brauchte sowohl seine Expertise als auch die Produktionsstandorte) wurde es seit den späten 1950er Jahren zunehmend beschnitten. 
    Am 12. März 1959 verabschiedete die Volkskammer der DDR zwei Gesetze*, die eine Vielzahl handwerklicher KMU zwangen, den Produktionsgemeinschaften des Handwerks (PGH) beizutreten. Der Verlust der unternehmerischen Selbstständigkeit ging zunächst mit einem wirtschaftlichen Aufschwung einher – ein Dorn im Auge der Parteifunktionäre, die einen neuen Kapitalismus heraufziehen sahen. Auf dem VIII. Parteitag Anfang 1972 verkündete der neue Generalsekretär des Zentralkomitees (ZK) der SED, Erich Honecker, schließlich das Ende des sogenannten "nicht-sozialistischen Sektors in Handel und Gewerbe", woraufhin sämtliche Großbetriebe innert weniger Monate enteignet und verstaatlicht wurden– so auch Spielzeugmanufaktur H.J. Leven-KG von Renate Müllers Eltern.

    Kleiner Exkurs in die Firmengeschichte: Die Firma H.J.Leven Sonneberg wurde 1912 von ihrem Großvater gegründet. Nach seinem Tod übernahmen die Eltern 1962 die Spielzeugmanufaktur; Renate Müller stieg 1967 nach ihrem Studium an der Fachschule für Spielzeug bzw. Ingenieurschule für Maschinenbau und Spielzeugformgestaltung ins Geschäft ein. Auf Anregung ihrer Lehrerin Helene Haeussler begann sie mit der Fertigung der "Rupfentiere".

    Die nach dem groben Jutegewebe benannten Spielzeuge waren für therapeutische Zwecke (Kliniken und Kindergärten) konzipiert und gelangten daher nie in den normalen Handel. Die ersten Entwürfe waren Studentenarbeiten: das berühmte Nashorn stammt von Gudrun Metzel, die Ente von Elfriede Fritsche. Quelle Die im wörtlichen Sinne reizvollen Tiere fanden sofort Anklang; in enger Zusammenarbeit mit Ärzt/innen, Psycholog/innen und Therapeut/innen begann Renate Müller die Kollektion zu erweitern.

    Die unterschiedlichen Oberflächen der Müllerschen Rupfentiere regen zum Greifen, Fühlen, Tasten und Turnen an. Bild links | Bild rechts


    Nach der Verstaatlichung des elterlichen Betriebs arbeitete Renate Müller zunächst weiter. Doch als 1976 sämtliche kleinen Spielzeugbetriebe zum Kombinat Sonni zusammengefasst wurden und sie ihre Arbeit nicht fortsetzen konnte, beantragte sie die Mitgliedschaft im Verband Bildender Künstler der DDR. Auch damit stand Müller nicht allein. Viele DDR-Designer/innen wählten diesen Weg, da freiberufliche Künstler/innen mehr Freiheiten genossen als angestellte Industriegestalter/innen.



    Auch Gerd Kaden, ein weniger bekannter, aber nicht minder großartiger Spielzeugdesigner wählte diesen Weg. 1975 trat der gelernte Spielzeugmacher und studierte Holzgestalter aus dem Erzgebirge dem Künstlerverband bei. Das war – vielleicht nicht ganz zufällig – in jenem Jahr, in dem er seine kongeniale Kugelbahn entwarf, die für die nächsten Jahrzehnte in der Schublade schlummerte. "[...] man war ja in der DDR nicht in der Lage, in der Industrie ein Produkt zu landen von der Gestaltung her", erzählt der im erzgebirgischen Neuhausen lebende emeritierte Professor,"Die Industrie war geprägt von der Herstellung für den Export [...]. Der Gestalter hatte in seiner Anstellung eher die Aufgabe, [...] die Produkte, die für den Export geeignet waren, so anzupassen, dass sie funktionierten." 

    Bis 1978 war er noch für die Industrie tätig, dann richtete er seine eigene Werkstatt ein und arbeitete als freischaffender Gestalter sowie als Lehrbeauftragter an Fachschule für Angewandte Kunst Schneeberg. Heute widmet er sich ausschließlich seiner eigenen Firma Kaden & Kaden, die er 1992 zusammen mit seinem Sohn gründete.

    Der Kugelbahn, die unabhängig zur selben Zeit auch in der Schweiz erfunden wurde, ist Gerd Kaden über all die Jahre treu geblieben. Er hat sie in diversen Größen, Farben und Formen entworfen – als Bausatz, als Spielplatz und in Weltformat. Daneben hat er Kindermöbel, einen Indoorspielplatz in Fukushima (Japan) und andere Holzspielzeuge entworfen, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde. Für seine schräge Kiste etwa erhielt er 2005, für den grünen Baum 2008 einen Designpreis. Matthias Kanter von der in Schwerin ansässigen Designplattform FORMOST ist überzeugt, dass Kaden – wie Müller – Weltruhm gebührt.

    Die schräge Kiste von Gerd Kaden

    Fantastische Holzspielzeuge stellt auch die Firma SINA her, die zwar wie Kaden & Kaden ihren Firmensitz im erzgebirgischen Neuhausen, jedoch eine recht andere Firmengeschichte hat.

    Der Betrieb ist aus den Trümmern des Volkseigenen Betrieb VERO hervorgegangen, in dem sämtliche Spielzeugbetriebe der DDR 1972 zwangsvereinigt wurden. "Nach der Wende wurde VEB-Betrieb einfach liquidiert", erzählt Geschäftsführerin Barbara Seidler. Ihr Mann habe nicht einfach zuschauen wollen, wie die damals 140-jährige Baukastentradition eingestampft wurde, also hätten sie gemeinsam die SINA Spielzeug GmbH gegründet. Einfach war das nicht. Bis das erste Täfelchen-Lege-Spiel nach Friedrich Fröbel 1995 in Produktion gehen konnte, musste das Unternehmen so manche Hürde nehmen.


    Heute reicht das Sortiment des auf 21 Angestellte gewachsenen Unternehmens vom therapeutischen Kugeltisch über das Babybällchen bis zum Klassiker im Streichholzschachtelformat. Neben neuen Produkten junger Holzdesigner/innen aus dem In- und Ausland sind Klassiker von Kurt Naef und Friedrich Fröbel sowie Entwürfe der DDR-Designerin Ursula Wünsch darunter, die seit 1971 bis heute unter dem Firmennamen Wünsch' Dir Was Spielobjekte aus Holz für behinderte und andere Kinder entwirft. Mit ihren Kugelspielen und den Rechenmaschinen hätte sie meiner Meinung nach ebenfalls einen Platz unter den Stardesigner/innen der DDR verdient.
    Würfelspiel von Ursula Wünsch für SINA

    *Am 12. März 1959 verabschiedete die Volkskammer der DDR das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Förderung des Handwerks und Gesetz über die Besteuerung der Handwerker.
    ** Mit der Machtübernahme Erich Honeckers auf dem achtem Parteitag beschloss das Zentralkomitee die Zwangsverstaatlichung aller mittelständischen Betriebe und Anteilseigner. Betroffen waren rund 11.000 Betriebe mit einer halben Million Beschäftigten, darunter rund 1.700 Produktionsgenossenschaften des Handwerks, mehr als ein Drittel aller PGH. Mitte Juli konnte Erich Honecker an den sowjetischen Staatschef Leonid Breshnew Vollzug melden. Aus: Helga Schultz: Produktionsgenossenschaften des Handwerks in der DDR und in der Transformationsphase. S. 8ff

    KW 14 #DieLeerstelleImFamilienwörterbuch

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    Unser Mitbewohner. So nannte Mi. meinen damaligen Freund und heutigen Mann, nicht etwa in Ermangelung echter Zuneigung. Nein, es fehlte schlicht ein passendes Wort. Denn: Wie nennt man den neuen Partner der Mutter, mit dem man zusammenlebt, der einem Abends Geschichten vorliest, Nachmittags bei den Hausaufgaben und morgens aus dem Bett hilft, der aber kein Stief- oder Ersatzvater ist, weil es da nichts zu ersetzen gibt? Weil der Papa da ist, zwar nicht in der selben Wohnung, aber in greifbarer Nähe – zuverlässig und liebevoll. Welches Wort beschreibt die Beziehung, die der "Neue von Mama" da zum "Kind vom Ex" hat? 

    Der Mitbewohner greift ein wenig kurz. Das wusste auch der kleine Mi. Nur hatte niemand ein besseres Wort. Ich hab bis heute keines – da steht wohl noch etwas Begriffsarbeit aus. Oder hat eine/r von euch ein treffendes Wort?

    Worüber ich noch so nachGEdacht, was ich GEmacht und GEdacht habe? Unter anderem dies: 
    Habt's gut!

    Design made in GDR: Hubert Petras

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    "Diese Vasen haben mit Kunst nichts mehr zu tun, denn jede sinnlich-ästhetische Wirkung wurde eliminiert", schrieb der Journalist Karl-Heinz Hagen am 4. Oktober 1962 im Neuen Deutschland und verlieh dem Unverständnis der DDR-Obrigkeit, in Persona Walter Ulbricht, damit den Schein der Objektivität. Gegenstand der Kritik waren die Zylindervasen von Hubert Petras [*1929; †2010] auf der V. Deutschen Kunstausstellung in Dresden. Ihre Formensprache, in der "die ruhige Senkrechte die dominierende Sprache war und die Abwandlung untereinander ein rhythmisches Spiel"*, blieb dem Vorsitzenden des Staatsrats Ulbricht gänzlich verschlossen. "Kalt, glatt, nichtssagend" fand er Petras geometrische Komposition. Dabei waren die schlicht-weißen Porzellanentwürfe eine konsequente Antwort auf zentrale Gestaltungsfragen in der DDR. 

    Der 1929 im slowakischen Kniesen geborenen Petras verfolgte – inspiriert von Wilhelm Wagenfeld und dessen Verständnis der "guten Form"– einen Ansatz, der mit dem Ulmer Modell vergleichbar ist: An der Hochschule für Gestaltung Ulm entstand in den späten 1950er "ein auf Technik und Wissenschaft abgestütztes Modell des Design, der Designer nicht mehr als übergeordneter Künstler, sondern gleichwertiger Partner im Entscheidungsprozess der industriellen Produktion.“ (Otl Aicher).

    In seinen Vasen verbanden sich Materialkenntnis, technisches Know-kow und gestalterisches Können. Insofern waren sie prädestiniert für die Sonderschau in Dresden, die den Stand des Industriedesigns der DDR repräsentieren sollte. Doch die dem "politischen Kitsch" (Milan Kundera) zugeneigte DDR-Obrigkeit sah das anders: "Überschaut man die Exponate, so herrscht der Hang zum kalten Ästhetizismus, zu farbloser Eintönigkeit und Verarmung der künstlerischen Formen bis zum nackten Funktionalismus vor."(Karl-Heinz Hagen) So wurde die Ausstellung für den gelernten Töpfer und studierten Gefäßgestalter zum Eklat: Petras, der seit 1958 als künstlerischer Leiter an der Porzellanmanufaktur Rudolstadt-Volkstedt tätig war, wurde als "Formalist" diffamiert und erhielt noch im selben Jahr Berufsverbot.




    Hubert Petras: Gläser | 1985/1986 | Glaswerk Harzkristall, Derenburg
    Drei Jahre schlug er sich als freier Gestalter durch, bis er dank des couragierten neuen RektorsErwin Andrä 1965 an der renommierten Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle – von der der finnische Designer Tapio Wirkkala (Iittala) schwärmte, man erhalte hier die beste Designausbildung der Welt –  eine neue Wirkstätte fand. Von 1966 bis 1995 lehrte Petras dort Industriedesign und trug maßgeblich zur Profilierung des Fachgebietes Gefäßdesign bei: "Konsequent in der künstlerischen Haltung schuf er zeitlos gültige Formen von hoher plastischer Sensibilität." Dabei bediente er sich nicht nur Porzellan und Glas, sondern setzte sich auch mit Kunststoffen auseinander, die sich seit den 1950er Jahren immer mehr durchsetzten. Wie? 

    Das wird exemplarisch an seinem Wannenbottich für die Werit Kunstsstoffwerke deutlich: "Der enge gestalterische Spielraum, den einem die Anforderungen ließen: die Fließform [...], der Wunsch nach ganz einfacher Herstellbarkeit, die Haltbarkeit der Griffe usw. – das alles in eine einfache, klare und überzeugende Form zu bringen, eine Form überdies, die nicht einfach dem Diktat von Technologie und Festigkeit unterworfen ist, sondern einem adäquaten Ausdruck dessen und einer angenehmen Handhabung folgt. [...] Derartige Vorgaben empfinde ich nicht als Einschränkung, sondern als herausfordernde Bedingungen, die mich oft ungemein motivieren."** 

    Für jenen Bottich wurde der lang geschmähte Petras 1979 sogar mit dem Design-Preis der DDR ausgezeichnet, und doch blieb die Polyethylen-Wanne ihm ein Dorn im Auge: Man hatte sein Griffdesign einfach abgeändert (heute werden die Bottiche in der Petraschen Ursprungsversion wieder hergestellt).

    Links: Spülkasten Nr. 930 | VEB Sanitärtechnik Eisenberg | 1985 | rechts: Schalenset | Wallendorf | 1961


    Andere Haushaltsgegenstände aus Petras Feder, die er unter der Prämisse des zweiten Bauhausdirektors Hannes Meyer Volksbedarf statt Luxusbedarf entwarf, sind der formvollendete Spülkasten Nr. 930 von 1985 für die Firma VEB Sanitärtechnik Eisenberg (Bilder) oder die minder gelungenen Aschenbecher. Der formschöne Fön, den er bereits 1959 entworfen hatte, war bis 1989 in Produktion – ich hoffe noch auf die Wiederauflage der ersten Industrieentwurfs von Petras.
    LD-Haarfön | VEB Elektrowerke Blankenburg | 1959








    Hinweis: Das Museum in der Kulturbrauerei zeigt vom 8. April 2016 bis 19. März 2017 Design aus der DDR: alles nach plan? Formgestaltung in der DDR
    ......................
    *aus: Penti, Erika und Bebo Sher - Die Klassiker des DDR-Designs. Hg. von Günter Höhne, S. 170
    **aus: Gespräch mit Hubert Petras, Die Burg 6, 1996, S. 37

    KW 15 #grüsseausabsurdistan

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    Fahrrad, Bus oder eigenes Auto? Dieses 1991 in Münster arrangierte Bild macht anschaulich, wieviel Platz 72 Menschen in verschiedenen Verkehrsmitteln benötigen. Quelle: Focus

    Mein Name ist Yitar. Ich stamme vom Planeten Aletu und bin Teil des Forscherteams am Institute for Cosmic Move, das sich der Entwicklung neuer Transportmedien widmet. Im Rahmen einer interstellaren Exkursion hat es mich auf die Erde verschlagen. Seit drei Tagen (irdische Zeitrechnung) befinde ich mich nun hier – und was soll ich sagen? Ich bin erschüttert.

    Auf Aletu gelten die Erdbewohner/innen als intelligente Wesen, doch was ich beobachte, lässt mich daran zweifeln. Beispiel Deutschland: ein Staatsgebilde mit rund 82 Millionen Einwohner/innen, wirtschaftlich und technisch hochentwickelt mit durchaus passablen Bildungs- und Wissensniveau. Man könnte also meinen, es handle sich um eine fortschrittlich aufgeklärte Gesellschaft. Doch sie verhält sich eher wie eine primitive Glaubensgemeinschaft. Ihre Religion heißt MIV: motorisierter Individualverkehr, und ihre heilige Kuh ist das Automobil.

    Beim Automobil handelt es sich um eine Art fahrendes Blechgehäuse, das rund 18 mal so schwer und mindestens zehn mal so groß wie ein durchschnittlicher Fahrzeuginsasse ist (Tendenz steigend, siehe: SUV). Bis zu 28 Menschen könnte ein Auto fassen, in der Regel sitzt aber nur einer drin. Um sein Eigengewicht (das des Insassen fällt kaum ins Gewicht) zu bewegen, verbraucht dieser Koloss entsprechend viel Energie: etwa 7,2 Liter Brennstoff auf 100 Kilometer. Damit könnte er praktisch Geschwindigkeiten bis zu 320/Stunde erreichen. Faktisch aber steht er vor allem rum. Seine Primärfunktion, das Fahren, erfüllt das Auto durchschnittlich höchstens zwei Stunden pro Tag – die restlichen 22 Stunden befindet es sich entweder in einer sog. Garage oder es verstopft den öffentlichen Raum (Straßenrand). Und selbst wenn es bewegt wird, kommt es kaum vom Fleck: 38 Stunden verbringen die Deutschen jährlich im Stau.

    Bisher habe ich nicht herausfinden können, warum sich der MIV derart hartnäckig als Leitreligion hält und das Auto trotz seiner Ineffizienzen und der großen Umwelt- und Gesundheitsrisiken verehrt wird. Aber meine Exkursion ist ja auch noch nicht abgeschlossen...

    Was mein Alter Ego derweil trieb? Unter anderem dies (Liste wird übers Wochenende erweitert): 

    M i MAMONTAG: Let's talk about Gentrification {im Gespräch mit GROSSE KÖPFE}

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    Der Gewerbehof Rigaer Straße 71-73A im Frühsommer 2013. Hier soll bis 2017 ein Neubauquartier entstehen. Viele der "Altnutzer/innen" müssen dafür weichen. 
    Wer hier kauft, kauft Ärger stand in krakeligen Lettern auf dem Bauschild, dort, wo einst das Institut für Krimskrams auf sich aufmerksam machte. Ich wollte es am Freitag fotografieren. Aber es war nicht mehr da. Vielleicht hat man es lieber entfernt, um potenzielle Käufer/innen nicht zu irritieren. Grund zur Irritation gäbe es, denn im Samariterkiez brodelt es. Seit 2009 ist der verhältnismäßig kleine Kiez um rund 2.000 Neubewohner/innen angewachsen – allein in unserem Haus leben rund 350 Leute im Alter von 0 bis 70 Jahren, und es ist nur eines von geschätzt 20 Neubauprojekten (wobei viele meiner neuen Nachbar/innen schon vorher hier gewohnt haben). Das bringt Spannungen mit sich, nicht zuletzt da mit diesen "Neuen" viel "Altes" verschwindet: Leute, Läden und Lücken, günstiger Wohn- und öffentlicher Freiraum, lieb gewonnene Gewohnheiten und schöne Selbstverständlichkeiten. 

    Ich bin eine dieser "Neuen" und mir liegt viel daran, dass das "Sozialexperiment Samariterkiez" gelingt. Ein erster Schritt dazu ist m.E. das Zuhören. Wie erleben die "Altbewohner/innen" den Zuzug und die damit verbundenen Veränderungen? Was macht es mit ihnen und ihrem "Heimatgefühl"? Was erwarten oder wünschen sie sich von den "Neuen"? Das und anderes habe ich die GROSSEN KÖPFE gefragt. Sie leben mehr als 10 Jahre im Kiez, und da wo sie einmal ins Weite blickten, sehen sie heute ihr Spiegelbild in der gläsernen Neubaufassade.


    Oben: 2013 sehen die GROSSEN KÖPFE noch ins Grüne. | Unten: Seit 2015 spiegeln sie sich in der gläsernen Neubaufassade.

    Geht das Experiment gut? Wo seht ihr die größten Herausforderungen und was können wir daraus für die Integration allgemein lernen?
    ALU: Das der Kiez voller wird, dafür brauche ich keine Statistiken. Ich sehe und spüre es täglich bei meinen Spaziergängen. Wo ich früher „schnell“ mal was einholen war, bilden sich heute Schlangen. Für einen Kaffee muss ich mich inzwischen anstellen. Die Läden und die Händler beginnen sich diesen neuen Massen anzupassen. Ein neuer Pizzaladen hier, ein weiterer Bäcker da. Ich empfinde das persönlich gar nicht als Experiment, sondern eher als gemeinsames Projekt mit verschiedenen Entwicklungsstufen. Für mich persönlich sind die größten Herausforderungen der neue Lärm. Alles ist lauter geworden. Unsere Straße (früher nur einseitig bebaut) funktioniert wie ein Lärmtrichter, wirklich laut.

    Konsti: Ich denke, allein in unserem Kiez sind es gut 2.000 neue Menschen. Ich bin zwiegespalten. Es sind subjektive Dinge, wie: Es ist lauter geworden, voller und es gibt kaum noch verwunschene Ecken. Ich frage mich auch, wo die typischen Berliner alten Menschen (i.S.v. Senioren) sind, neben denen ich noch groß wurde und was das für Menschen sind, die sich diese Preise leisten können*. In vielen Bereichen meines Lebens treffe ich auf Menschen, die keine Ahnung von Berlin haben, aber nun da sind. Das ent-heimatet mich.
    *In unserem Haus wohnen viele ziemlich nette und "normale" Leute. Viele Familien mit kleinen Kindern, aber auch kinderlose Paare und einige Singles. Erstaunlich viele Kreative sind darunter: Fotograf/innen, Blogger/innen, Designer/innen, Schaupieler/innen, Kommunikationsberater/innen etc., einige Professor/innen, Jurist/innen, Ministerial- und wissenschaftliche Mitarbeiter/innen. Fast alle leben schon lange in Berlin, viele in Friedrichshain, einige auch hier im Kiez und nicht wenige sind sogar "echte" (Ost-)Berliner/innen. 

    Das Café Orange heißt seit Kurzem KAFFEE KARAMELL.

    Welche Entwicklung würdet ihr, so ihr könntet, lieber heute als morgen wieder rückgängig machen und was um keinen Preis wieder "wie früher" haben wollen?
    ALU: Ich würde gern den Lärm weghaben. Warum kann man hier nicht autofreie Zone machen? Wäre doch ganz schön für uns alle und auch weniger gefährlich für die Kinder. Ich würde gern (wie früher) nicht immer einen Tisch im Schalander bestellen müssen, wenn ich mal Kniffel spielen gehen will☺, ansonsten hat alles seine Zeit und seine Berechtigung! Bis auf den Lärm, weniger Lärm vor meinem Schlafzimmer zu jeder Tages- und Nachtzeit wäre schön.

    Konsti: Ich würde gerne die vielen Bausünden aus Beton und Glas rückgängig machen. Bezahlbarer Wohnraum und mehr Freiflächen, damit man sich nicht mit 3 Eltern und 2 Kindern auf dem Quadratmeter Spielplatz stapeln muss. Um keinen Preis will ich, dass die neuen Menschen und Impulse weg sind. Denn die suchen ebenso neue Heimat wie ich.


    Mittlerweile sind alle Baulücken im Samariterkiez geschlossen – und das waren viele!

    Unser Kiez ist in Bewegung. Nicht nur ist fast jede Baulücke mittlerweile geschlossen, die Einwohnerdichte entsprechend gestiegen, auch viele alteingesessene "Institutionen" verschwinden (so schließt im Mai diesen Jahr etwa der Club K17). Sind daran die "Neuen" schuld?
    ALU: Ich glaube nicht, dass sie daran schuld sind, aber sicherlich verstärken, oder beschleunigen sie Prozesse. Das K17 war bereits seit vier Jahren immer wieder daran zu überlegen wie es weiter geht, nun wird der Schritt des Weggangs (der Auflösung) also gewagt. Das unser „Café Orange“ nun „Karamell“ heißt und Leuchtbuchstaben hat (HILFE!) ist weniger schön, aber sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass immer mehr Menschen dort Mittag essen wollen und die sich eben anpassen. Ich sag ja, wir stehen mitten drin in der Entwicklung und die schnelleren Kassen in der Biocompany kommen allen zugute.

    Konsti: „Die Neuen“ sind ebenso ein Zeichen dieser Veränderungen. Ich frage mich, wo werden bald die Orte sein, wegen derer Berlin lebenswert und zuzugswürdig war? Funktioniert die Stadt überhaupt noch? Andersherum: Ohne Hilfe von Außen hätte es keinen dieser Impulse gegeben. Spannend ist also die Frage: Was wird Neues kommen? Werden die teuren Gewerbemieten auch neue, längerfristige Angebote bringen oder werden immer mehr Schaufenster zugeklebt und Büros dahinter eröffnet?

    Was erwartet und was wünscht ihr euch als "alte Kiezbewohner/innen" von den Zugezogenen?
    ALU: Ich fänd es ja toll, wenn die neuen Hausbesitzer, Einwohner mal einladen würden. Sowas wie ein „Wir-sind-da-kommt-doch-in-unseren-Garten“-Fest oder sowas. Vielleicht könnte man sich dann kennenlernen?

    Konsti: Ich erwarte wenig, ich hoffe nur, dass es sich irgendwann verwächst, doch ob ich dann noch hier sein möchte, weiß ich nicht.

    Bänschstraße Ecke Pettenkofer im Frühsommer 2013

    Und zum Schluss eure Empfehlungen für die "Neuen": Was sind absolute No-Gos, todsichere Fettnäpfe und vermeidbare Peinlichkeiten? Wie sammelt man Plus- und Sympathiepunkte und wie macht´s richtig gut?
    ALU: Fahr mich nicht um mit deinem Cabrio, setz die Sonnenbrille ab, wenn du deine Brötchen bestellst (sonst muss ich lachen) und bleibe freundlich. Als mich neulich wieder Jemand anpöbelte (recht jung, Hipsterkleidung), dass ich mal zur Seite rücken soll (im Kaisers), war ich kurz davor ihn zu schubsen. Rücksichtnahme ist nämlich 'ne ziemlich einfache Sache und sollte in jeder Lebenssituation angewandt werden, auch wenn ich gerade mein Kind, das Laufrad und den Einkaufswagen vor den Äpfeln geparkt habe.

    Konsti: Ich denke, wir alle sollten uns ordentlich benehmen, immer wieder neu. Ich treffe oft auf Unwissenheit, was den Kiez, seine Geschichte, seine Zusammenhänge, aber auch Berlin generell angeht. Außerdem kann ich die Vorurteile gegen „den Berliner“ nicht mehr hören. Ich finde man kann nicht in einer Stadt leben, mit der man sich nicht bereit ist, ausreichend zu identifizieren. Nette alte Damen im Restaurant gehen dagegen immer.

    Bänschstraße Ecke Pettenkofer im Frühsommer 2016


    IN EIGENER SACHE: Der Dialog zwischen "Neu- und Altbewohner/innen" ist m.E. ein wichtiger Schritt, damit das Zusammenleben unter den neuen, oftmals engeren, lauteren Bedingungen gelingt – hier wie in jedem anderen Quartier in Berlin und anderswo. Gerne möchte ich hier eine kleine Dialogplattform schaffen. Darum: Wer mag mit mir über "Gentrifizierung" sprechen? Ich freue mich über würde mich über jedes Interesse! Außerdem würde ich hier im Kiez gerne ein Nachbarschaftsfest organisieren. Wer hat Lust hat, bitte melden!

    Design made in GDR: Herr Ehrlich und das Funkhaus

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    Der von Ehrlich für die Deutschen Werkstätten Hellerau entworfene Tisch aus der Möbelserie 602 | Quelle

    Es passt nicht ganz in die Kategorie "Design", aber es ist "made in GDR": das Funkhaus Nalepastraße, das ich kürzlich besuchte (und dabei zufällig auch ein UFO entdeckte). Ein imposantes Gebäudeensemble liegt da jwd* direkt an der Spree und spricht akzentfrei Bauhaus. Das ist ungewöhnlich ist, bedenkt man, dass es mitten im Formalismusstreit (1951 bis 1956) erbaut wurde. Ungewöhnlich  – und weltbekannt – ist auch seine Akustik.

    Diverse Musikgrößen und -labels nutzten das Studiogebäude ob seiner herausragenden Klangqualität, der optimalen Nachhallzeit und seiner Ausstattung. Darunter A-ha und Sting, Universal, BMG und Sony, das Deutsche Filmorchester Babelsberg,  Kent Nagano und Daniel Barenboim, der es als "eines der besten Aufnahmestudios weltweitbezeichnet. Hinter dieser ingenieurtechnischen Meisterleistung stand, neben dem Chefingenieur Gerhard Probst, dem Akustiker Lothar Keibs und der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Gisela Herzog, der Architekt und Möbeldesigner Franz Ehrlich (*1907; † 1984).


    Ehrlich ist eine schillernde Gestalt. Er war Buchenwald-Inhaftierter und KZ-Angestellter, verkanntes Genie, Hochstapler und Spitzel, eigensinnig und egoistisch. In der DDR war er wegen seines "formalistischen Stils" ebenso geschmäht wie als Devisenbringer und gestalterischer Außenrepräsentant begehrt. Sämtliche DDR-Außenhandelsrepräsentanzen hat er gestaltet:"Ob in Moskau oder Peking, in Kairo oder New Delhi, in Brüssel oder Paris: alle hat Franz Ehrlich gestaltet. Aber in der DDR scheiterte Ehrlich mit seinen Entwürfen."


    Der überzeugte Kommunist und praktische Kapitalist wuchs als fünftes Kind in eher ärmlichen Verhältnissen in Leipzig auf. Nach der Volksschule machte er zunächst eine Maschinenbauehre. Doch während eines Ausstellungsbesuchs in Weimar erkannte der damals 16jährige seine wahre Berufung: Nicht Architekt, Formgestalter, Bildhauer, Maler oder Grafiker wollte er werden, sondern Bauhäusler. Denn der überzeugte Kommunist will "am Aufbau einer neuen Gesellschaft mitarbeiten können." Er studierte bei László Moholy-Nagy, Paul Klee, Oskar Schlemmer und Joost Schmidt.

    Dann kamen die Nazis an die Macht. Ehrlich arbeitete als Werbegrafiker und war Mitherausgeber der verbotenen kommunistischen Zeitschrift Junge Garde, was ihm 1934 drei Jahre Gefängnis wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" einbrachte. Nach Ablauf der Haftzeit kam er – warum auch immer – statt auf freien Fuß ins KZ Buchenwald. Eigentlich ein Todesurteil: 1937 befand sich das Lager noch im Bau; die Häftlinge mussten ihr "Grab" (zynischer geht's kaum) buchstäblich selber schaufeln. Doch Ehrlich übersteht die Strapazen und schafft es irgendwie zum engsten Mitarbeiter des SS-Lagerarchitekten Robert Riedl zu werden. "Es gibt Berichte [...], dass er eines Tages in der Tischlerei saß. Das heißt, er ist eigenmächtig, das war etwas, was man überhaupt nicht wagen durfte, in die Tischlerei gegangen, hat sich dort hingesetzt ans Zeichenbrett und hat angefangen zu zeichnen, in der Hoffnung, dass er aus dem Steinbruch rauskommt. ... Wahrscheinlich war das eine Verzweiflungstat, dass er sagte, wenn mich jetzt noch was rettet, dann sind es meine fachlichen Fähigkeiten." 

    Fortan entwirft er Wohnhäuser und Mobiliar für Nazigrößen; aber auch der zynische Satz am Tor des KZs "Jedem das Seine" stammt, wie man heute weiß, von ihm und manch eine/r erkennt in der klaren Bauhaus-Typographie, die Ehrlich für dieses menschenverachtenden Emblem wählte, den Subtext des Widerstands.
    Torinschrift am KZ Buchenwald von Franz Ehrlich im verpönten Bauhausstil entworfen. Quelle: Wikipedia

    Solch subkutaner Widerstandspraktiken bediente sich Ehrlich auch in der DDR, wo der baushaustreue Gestalter mit seiner Formensprache nicht landen konnte. "Die Formensprache der Moderne galt den Ideologen des Arbeiter- und Bauernstaats als "westlich-dekadent" und antidemokratisch. Kaum schien die völkische Ästhetik der Nazis ad acta gelegt, wurde wieder Ähnliches gefordert: "Realismus", Volkstümelei. Und Ehrlich stand wieder auf der falschen Seite." Aber dort, auf der westlichen Seite sind seine Entwürfe hoch im Kurs. Die von Walter Ulbricht als "unmögliche Kastenmöbel" bezeichnete Möbelserie 602 für die Deutschen Werkstätten Hellerau fand im Westen (auch im Osten) reißenden Absatz – und wird heute auf Auktionen hoch gehandelt. Doch all das half nichts. Die Weltberühmtheit, um die Ehrlich sein Leben lang – auf bisweilen fragwürdige Weise (so spitzelte er auch ein bisschen) – kämpfte, hat der eigensinnige kleine** Mann nie erlangt.

    HINWEIS: Wer die Klangqualitäten des Gebäudes live erleben möchte, kann dies am 11. Juni im Rahmen des MIRA Festivals tun. Wer am 11. Juni keine Zeit, der/dem empfehle ich diese Zeitreise zum Funkhaus Nalepastraße.

    *janz weit draußen
    ** Ehrlich war nicht ganz 1,70 m groß.


    Orchester im Großen Saal des Funkhaus Nalepastraße | Bildquelle

    Weil's so schön ist ...

    KW 16 #unerhörterkinderkram

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    "Sie sind zu früh wieder arbeiten gegangen." Wie ein Monolith stand der Satz im Raum. Ungläubig starrte ich ihn an, unfähig, seinen tieferen Sinn zu erfassen. Als ich es mir endlich gelang, setzte ein kleines Beben ein. Wäre es irgendwer gewesen, die diesen Satz gesagt hätte, er wäre an mir abgeprallt – ich war mir doch so sicher, dass ich (k)eine gute Mutter bin. Aber es war nicht irgendwer, sondern eine Frau, auf deren Meinung ich was gebe und die lautete in diesem Fall: Die frühe Krippenbetreuung ist für Kleinkinder Stress und birgt Risiken für ihre Entwicklung.

    Nachdem ich die ersten Abwehrreflexe überwunden hatte und mich erst zag-, dann ernsthaft auf diese These einlassen konnte, muss ich sagen: Ja, das macht durchaus Sinn. Nur: Was jetzt?

    Für viele Eltern ist es kaum möglich, für Alleinerziehende überhaupt nicht, dass eine/r von beiden oder beide im Wechsel zwei oder drei Jahre beim Kind zuhause bleibt, was aus entwicklungspsychologischer Sicht das Beste wäre. Auch will oder vermag es nicht jede/r.

    Als progressiv denkender Mensch halte ich "Rückwärtsrollen" für Unsinn. "Kopfstände" bringen uns weiter. Wenn wir den bisher unerhörten Kindern eine Stimme im öffentlichen Betreuungsdiskurs geben,  könnte das – richtig angepackt – einen ordentlichen Innovationsschub geben und ganz neue Betreuungsmodelle hervorbringen. Also wer hat Lust, mit den Kindern durch die Decke zu denken?

    Ich bin gespannt und wünsche allen – mit der obligatorischen Liste – ein wunderbares Wochenende!

    Begegnungen: Der alte Mann und das Mädchen

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    "Was macht der Mann, Mama?"
    "Er sucht seine Zeichensachen zusammen?"
    "Malt er hier?"
    "Ja."
    "Warum"
    "Weil er Künstler ist."
    "Arbeitet er immer hier?"
    "Oft."

    Sie beobachtet ihn. Schaut zu, wie er Ding für Ding aus seinem Stoffbeutel nimmt, wie er nach und nach ein winziges Tischatelier schafft. Drei Bleistifte, Tinten, Tusche und winzige Kladden. Eine Pappe, nicht größer als ein Bierdeckel, dient als Klemmbrett. 

    Die Bedienung bringt Kaffee. 

    Er kramt in seinem Stoffbeutel, legt ein Papier zum Rest. Notizzettelgroß. Nimmt einen Schluck Kaffee. Klemmt das Papier auf die Pappe, zieht einen ersten Strich. "Mama, darf ich zusehen, wie er malt?""Bestimmt.""Fragst du ihn? Bitte, Bitte!"

    "Entschuldigen Sie, meine Tochter ..." 
    "Oh, is it your daughter? She's a princess! Do you agree, that I draw her?"

    Ich blicke zu Ma. 
    Sie nickt.
    Er setzt den Bleistift an. 
    Wir bestellen entgegen unserem Plan eine zweite Runde.

    Später wird er uns das winzige Portrait schenken: "It's difficult to capture her. She grows up in every second."


    Edwin Dickman lebt seit 58 Jahren in Berlin. Immer wenn ich im P103 bin, ist er da und zeichnet. Die Zeichnung hat einen Ehrenplatz in Ma.'s Zimmer bekommen. 

    KW 17 #muttertagswunsch

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    "I’m a worker. I’ve always worked. I was working before people read anything about me, and the day they stopped reading about me, I was doing even more work. [...] the idea that if you’re a mother, you’re not doing anything—it’s the hardest job there is, being a mother or father requires great sacrifice, discipline, selflessness, and to think that we weren’t doing anything while we were raising a son or daughter is appalling. It makes me understand why some human beings question their worth if they’re not making a huge amount of money or aren’t famous, and that’s not right."Patti Smith

    In diesem Sinne ein warmherziges Wochenende und die obligatorische Liste.

    Ein Blick hinter "Dein Tod und ich"

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    Judith Peller (c) Karolina Parot
    "Es geht nicht darum, gute Ideen zu entwickeln. 
    Es geht darum, die richtige zu finden." 

    Sie hat eine Trauer- und Interviewplattform über das Weiterleben nach dem Tod ins Leben gerufen, sich vor wenigen Monaten als als PR-Beraterin und Inspirationscoach selbstständig gemacht und wird in wenigen Wochen ihr Unterhosen-Label launchen. Wer? Judith Peller. Die 34-jährige Powerfrau mit dem ansteckenden Lachen, den 1.000 Ideen und dem richtigen Riecher. Im heutigen Montagsinterview spricht sie über richtige Idee und gute Entscheidungen, über die Schönheit des Kontrollverlusts und die Lust am Leben.

    Ich danke dir, liebe Judith, für das wunderbare Gespräch mit dem ich euch allen einen ebensolchen Start in die neue Woche wünsche.


    Wer ist Judith Peller?
    Diese Frage habe ich so tatsächlich noch nie beantwortet: Zumindest nicht in dieser objektiven Form! Wer ist Judith Peller? Judith Peller ist eine 34-jährige Wahl-Berlinerin, die sich gerade mit INSPRIRATION als PR-Beraterin und Inspirationscoach selbständig gemacht hat. Schon als kleines Mädchen konnte ich mich nie für eine einzige Sache entscheiden, deshalb ist INSPRIRATION auch nur eines von vielen Themen in meinem Leben. Judith Peller ist immer auf der Suche, würde ich sagen: nach der nächsten Idee, dem nächsten spannenden Projekt, dem nächsten inspirierenden Auftrag. 

    Seit mehr als zwei Jahren arbeite ich z. B. an der perfekten Unterhose für Frauen. Im Sommer erscheint die erste Unterhosen-Edition meines Wäsche-Labels "viel mehr als grau". Ich habe eine Trauer- und Interviewplattform ins Leben gerufen, die nicht den Tod, sondern das Weiterleben in den Mittelpunkt stellt. "Dein Tod und ich" heißt sie. Ich wünsche mir von Herzen, dass wir endlich wieder normal über den Tod sprechen.

    Gerade lese ich das wunderbare Buch "Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast" von Barbara Sher. Der Titel trifft es irgendwie ganz gut: Ich interessiere mich einfach für sehr viele verschiedene Dinge.  

    Du arbeitest als freie Beraterin für strategische PR und Inspirationscoach. Was macht (d)eine PR-Beratung strategisch und was ist ein/e Inspirationscoach?
    Viele glauben, dass es bei PR darum geht, gute Ideen zu entwickeln. Ich glaube, dass eine gute Idee wertlos ist, wenn es nicht die richtige ist. Strategische PR-Beratung hilft, herauszufinden, was die richtige Idee ist, um ein bestimmtes kommunikatives Problem zu lösen. Das bedeutet ganz konkret, dass man sich vor der kreativen Arbeit erst einmal ein strategisch fundiertes Fundament aufbaut: Wie sieht die aktuelle Situation des betreffenden Unternehmens aus? Welche Aufgabe gilt es zu lösen? Was soll mit PR erreicht werden? Wer soll angesprochen werden? Gute Ideen gibt es wie Sand am Meer. Die richtigen sind schwerer zu finden, ein bisschen wie beim Muscheln suchen. Mein Job ist es, beim Finden zu helfen. Das gilt auch für meine Inspirationscoachings.

    Mit der richtigen Strategie kann man nämlich auch leichter essentielle, persönliche Fragen beantworten: Wie finde ich den Job, der mir wirklich Spaß macht? Wie sieht mein perfektes Lebens- und Arbeitsmodell aus? Was kann ich tun, um beruflich zufriedener zu werden? Als Inspirationscoach unterstütze ich Menschen, die sich beruflich verändern wollen, aber keine Ahnung haben, wo oder wie sie überhaupt anfangen sollen. Ein solches Inspirationsgespräch kann den Start erleichtern. Es dauert 3-4 Stunden. Am Ende erhält jeder eine umfassende Liste zum Weiterdenken. Darüber hinaus biete ich auch Webinare an. Das erste ist gerade fertig geworden: In 1,5 Stunden erfährt man meine persönlichen Tipps uns Tricks zum Thema "Von Ängsten und Ausreden. Wie man einfach anfängt, sein Leben zu ändern".

    Der Tod gehört zum Leben. Das hast du oft betont. Seit deiner Kindheit hat sich der frühe Tod deiner Freundin Doris begleitet – aber auch krank gemacht. Hast du eine Idee, wie der Tod in guter/gesunder Weise zum Leben gehören kann?
    Der Tod gehört zu unserem Leben. Das kann man gut oder schlecht finden. Es ändert aber nichts an der einfachen Tatsache: Wir werden geboren und wir sterben. Alles völlig normal. Was uns krank macht, ist unser Leugnen. Unser "Nicht-wahrhaben-wollen". Unser ständiges "So-tun-als-ob-es-uns-nichts-angeht“. Unsere Angst, den Schmerz zu spüren. Die Kontrolle über unsere Gefühle abzugeben. 

    Nach allem, was ich selbst mit meiner Trauer erlebt habe, ist der Tod für mich heute ein Geschenk: ein Geschenk des Lebens. Das mag jetzt vielleicht komisch und ein bisschen absurd klingen, aber seit ich begriffen habe, dass ich sterben werde, lebe ich. Ich vertage nichts mehr auf morgen. Ich warte nicht mehr auf den perfekten Moment. Ich spüre mich und meinen Körper, hier und jetzt. Ich schätze mein Leben und bin dankbar für alles, was ich habe. Man kann sein Leben nicht nachholen oder aufschieben. Man kann es nur jetzt leben. Mit allem, was dazu gehört: mit den Ängsten, dem Schmerz und den vielen Dingen, die man nicht kontrollieren kann. Aber ganz ehrlich: Kontrolle abzugeben ist etwas Wunderbares. Sich fallen zu lassen. Das Leben auch mal auf sich zukommen lassen, statt ihm immer ehrgeizig hinterherzurennen. Ich lebe und ich werde sterben, so einfach ist das. Sich diese einfache Wahrheit öfter mal bewusst zu machen, würde vieles verändern. Es könnte dazu beitragen, dass wir in einer guten und gesunden Weise mit dem Tod umgehen.

    In verschiedenen Kulturen und Religionen gibt es sehr unterschiedliche Formen mit dem Tod umzugehen. Gibt es eine, die dir besonders zusagt?
    Eine Freundin hat mir neulich von ihrem Urlaub in Mexiko erzählt und wie die Mexikaner mit dem Tod umgehen: Sie feiern ihn einmal im Jahr mit einer riesengroßen Party. Ein Fest des Lebens, bei dem sich alle wiedersehen: die Lebenden und die Toten. Es gibt laute Musik, gutes Essen und Tanz. Der Tod ist dort nicht schwarz und weiß: Er leuchtet in allen Farben des Regenbogens. Das gefällt mir. Trauer ist viel mehr als immer nur traurig zu sein. Es bedeutet, sich zu erinnern: an die schönen Momente, an all die Situationen und Erlebnisse, die man zusammen geteilt hat. Wenn man jemanden verliert, den man liebt, dann tut das weh. Keine Frage, das ist das Schlimmste. Aber was wäre ich für eine Freundin, wenn ich mich an Doris nur mit all dem Schmerz erinnern würde? Sie war meine erste beste Freundin. Wir hatten so eine tolle Zeit miteinander. Wir haben Radio gespielt und Schneehöhlen gebaut. Daran will ich mich erinnern. Nicht nur an ihre Glatze nach der – gefühlt – 48. Chemo. Sie hat das Leben geliebt, obwohl sie sterben musste. Darum geht es.
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    Quelle: Wiki Commens

    Um den Tod einen Platz in unserem Leben zu geben, hast du die Plattform "Dein Tod und ich" gegründet – ein Projekt, das schnell bekannt und zu deinem Herzensprojekt wurde. Bis jetzt. Was hat sich verändert?
    Dein Tod und ich war einer der Gründe, warum ich mich selbständig gemacht habe: Ich wollte mehr Zeit dafür haben, ein Buch mit ausgewählten Interviews veröffentlichen, die Plattform zu DER Trauerplattform im deutschsprachigen Raum ausbauen. Seit einigen Wochen hat sich etwas verändert. Ich habe gemerkt, dass ich mich immer mehr davor drücke. Erst dachte ich, ich hätte vielleicht Angst, dass mich meine eigene Trauer wieder einholt. Vielleicht ist es auch die Angst, etwas falsch zu machen. Nicht die richtige Antwort auf die persönlichen Geschichten zu finden, die mir so viele Menschen ganz offen und ehrlich erzählen. Ich kann es nicht erklären, aber ich habe das Gefühl, dass ich fertig damit bin. Der Tod und die Trauer haben mehr als 20 Jahre meines Lebens bestimmt. Ich dachte immer, dass ich es Doris schuldig bin, ihr Andenken zu bewahren. Alles dafür zu tun, dass sie nicht vergessen wird. Ihrem Tod einen Sinn zu geben. Irgendwie war sie all die Jahre auch immer noch hier. Ich weiß nicht, warum und ich weiß auch nicht, wie ich das erklären soll, aber Doris ist gegangen. Sie ist weg und mit ihr der Wunsch, der Trauer ein Gesicht zu geben. Ich will mich mit dem Leben beschäftigen. Ich will das Beste vom Leben erwarten. Ich will mir alles wünschen, was ich mir vorstellen kann. Ich will jeden Tag genießen und glücklich sein. Ich weiß, dass ich sterben werde. Ich muss mich nicht mehr jeden Tag daran erinnern.

    Dein neuestes Projekt heißt "viel mehr als grau" oder auch "Unterhose". Wie bist du dazu gekommen, einen perfekten "Frauenschlüpper" zu erfinden? Und was macht ihn perfekt?
    Ich war sehr unzufrieden mit meiner eigenen Unterhosensituation. Irgendwie gab es nichts, was meinen Vorstellungen von einer perfekten Unterhose entsprochen hat. Deshalb habe ich kurzerhand meine eigene erfunden und zusammen mit einem Schneider in den letzten Monaten entwickelt. Eine perfekte Unterhose ist bequem und sexy. Sie hat kein lästiges Etikett, das man erst herausschneiden muss. Sie ist aus qualitativ hochwertiger und robuster Baumwolle (mit ein bisschen Elasthan) und das wichtigste: Sie macht Spaß! Es gibt kein Schwarz und kein Weiß bei meinem Wäsche-Label, viel mehr als grau: nur knallige Farben. Jeden Monat wechselt die Farbe. Die erste Edition ist himbeerfarben und heißt „Glück ist immer selbstgemacht."

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    Die Unterhose kommt im Sommer auf den Markt, "Dein Tod und ich" verändert sich... welche Jahresbilanz möchtest du am 31. Dezember 2016 gerne ziehen?
    Trotz der Aufregung, der Unsicherheit und der vielen Fragezeichen, die sich gerade überall in meinem Leben auftun, ist es doch schon jetzt eins der tollsten Jahre überhaupt. Veränderung ist gut. Sie rüttelt an allem, was nicht mehr gebraucht wird. Sie schafft Platz für Neues.

    Ich möchte ohne Druck und Stress eine Entscheidung für "Dein Tod und ich" finden. Das Projekt vielleicht in neue, vertrauensvolle Hände geben. Die Unterhose soll nach zwei Jahren Entwicklungsarbeit endlich das Licht der Welt erblicken: Ich bin so neugierig, wie es damit weitergeht. Ob andere meine Begeisterung dafür teilen.

    Groß ausgefeilte Pläne habe ich nicht in der Schublade. Ich möchte den Dingen auch einfach mal ihren Lauf lassen, mit dem "Flow" gehen, auch wenn er zwischendrin eine Pause macht. Mir die Zeit nehmen, um immer wieder innezuhalten. Mich in die Selbständigkeit "eingrooven". Weiterhin schöne PR-Jobs machen. Inspirierende Menschen treffen. Zeit mit meinen Liebsten verbringen. Und vor allem: einen tollen Sommer in der schönsten Stadt der Welt!
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    Sommer in Berlin, Judith Peller, Dein Tod und ich

    KW 18 #müdesomüde

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    Müde. Ich bin so müde. Ganz gleich wie viel Kaffee ich trinke und wie viel Stunden ich schlafe. Selbst diese kleine Liste zu schreiben, fällt mir schwer. Ist das die Frühjahrsmüdigkeit? – Wie dem auch sei: Ich wünsch' allen ein wunderbares, langes Pfingstwochenende!

    M i MA go schlöfele

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    fahrradgerechte Stadt, #radentscheid, isabel marant, bauhaus, tiny houses
    Davon dass ich so müde bin und weder Kaffee noch Schlaf etwas daran ändern mögen, hatte ich erzählt. Auch Vitamin D hat nicht geholfen. Also gebe ich mich geschlagen – oder besser: hin – und lasse M i MA mitten im Mai einen kleinen Schlaf machen. Ein Schlöfele wie es so wohlig-warm im Schweizerdeutschen heißt. Bevor die Lider schwer werden und der Wunsch sie zu schließen überhand nimmt, habe ich noch eine Liste erstellt: Zutaten für süße Träume. 

    Bis bald!

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